TACTICS

(2011 – 2012)




Book TACTICS

Broschüre | Booklet

Softcover | 40 pages | Size: 18 x 15 cm | Edition: 1000 copies
EPEKA, Maribor, Slovenia, 2013 | ISBN: 978-961-93338-2-2

Book design by Gábor Békési
Languages: German, English, Slovenian
Text by Peter Tomaž Dobrila


Publication: Reframe Memory (Athens Photo Festival)
Publication: MemoryLab (EMoP)


WIRKLICHE ANSEHNLICHKEIT
Tomaž Dobrila

Wenn wir die Fotografie nicht bloß als das dokumentarische und wiedergebende Werkzeug, sondern vorwiegend als schöpferisches Medium verstehen, können wir in Marko Lipuš’s Ikonografie ziemlich heterogene Ansätze erblicken. Doch diese Vielfältigkeit in den einzelnen Serien seines fotografischen Opus bedeutet nicht ein Herumirren in den Ausdrucksmöglichkeiten und ein Suchen nach dem richtigen, entsprechenden und zusagenden Rahmen, der in einem unmittelbaren Zugang den Inhalt ersetzen würde. Vielmehr ist diese Verschiedenartigkeit Ausdruck der Freude am Durchstöbern der Schubladen der eigenen Interessen und ein Hereinbringen der Außenwelt in die Räume des Intimen. Darin ist der Grat seines Handelns, der sich vom Persönlichen, das freilich an erster Stelle ist, und Spielerischen bis Kritischen und Sozialen sowie auch entrüstet Scharfen bis lyrisch Zarten erstreckt.

In jedem Fall erscheinen Lipuš’s Fotografien, in denen die einzelnen Elemente zu einer kohärenten künstlerischen Aussage verbunden werden, als realistische Reminiszenzen unserer Welt, auch wenn er farbgebend, chollagierend und montierend häufig andere bildnerische Elemente einschiebt. Bei einigen lässt er zu, dass sie selbst mittels Spiel mit Licht und Schatten ihre Geschichten erzählen, deren Akteure sei es lebendige Menschen, sei es überarbeitete, übermalte Pseudo-Stripfiguren sind. Oft sind es auch Puppen bzw. Nachbildungen, Spielzeuge, die in ihrer Ernsthaftigkeit durch den fotografischen Abdruck ein unwahrscheinlich echtes Bild abgeben und schauderhaft darauf hinweisen, was in den Spielwarengeschäften den Kindern angeboten wird. Die Arbeit wird so zu einem Attribut des Überträgers, des Leiters, dessen Spannung uns nicht löst, stattdessen erschaudern lässt, und des Übersetzers, der unsere Oberflächlichkeit offenlegt, freilich wenn wir uns diese gleichzeitig auch eingestehen.

Beim Betrachten Markos Bilder entnehmen wir ihnen die Aussagekraft und Bildlichkeit, ihre formal-kompositorische Seite und Inhalt, ihre Materialität und Metaphorik. Wenn wir einen Blick in die Welt der Bilder werfen, fragen wir unwillkürlich nach unserer Realität in der virtuellen Welt, oder wir werden uns gar unserer Virtualität und niemandes Wirklichkeit, der Ohnmacht des einzelnen und der einzelnen bewusst, die zuerst als Individuen eingeschlossen sind in etwas, was wir gesellschaftliche Bindungen nennen, dann aber eröffnen sich uns die Verirrungen der breiteren Gesellschaft, die wie verhext in den Fäden hängt und nicht bemerkt und gar nicht sehen will, dass die marionettenhaften Strippenzieher mit jedem neuen Zucken die Fäden noch enger zusammenziehen, denn die Vorstellung muß fortgesetzt werden, sei sie so oder so betitelt und trage welche Überschriften auch immer.

Wie dem auch sei, die Benennungen, Definitionen, Deklarationen, täglich neu ausgedacht am laufenden Band, sind eben dieser Käfig, in den wir eingesperrt werden, wenn sie ununterbrochen das Subjekt und gleichzeitig das Objekt der Abhandlung verändern. Wir müssen in der virtuellen Wirklichkeit gehalten werden, wäre doch das Gegenteil, die reale Virtualität, für die Herrschenden zu gefährlich, für manch einen, der sich diese zuführen würde, aber schicksalhaft. Doch gerade Marko Lipuš wandelt auf diesem Terrain, wandert auf dem Weg der wirklichen Scheinbarkeit, innerhalb derer er die zivilisatorischen Wahnvorstellungen der heutigen Zeit bloßlegt. Diese Wahnvorstellungen sind keine unschuldigen Schaffensprozesse irgendwelcher Objekte für den Allgemeingebrauch oder gar von Spielsachen für das Kleine, aus dem das Große wächst, sondern sie sind Prinzipien des Handelns, die anschaulich die Konstellation der gesellschaftlichen Beziehungen, Verhältnisse zwischen Puppenspielern und Puppen bloßlegen.

Wenn wir die Erzählkraft Lipuš’s Fotografien ergründen wollen, müssen wir außerhalb ihrer Form und ihrer äußeren Dimension einen Blick werfen. Die Buntheit seiner Terminologie können wir im Verstehen seiner inneren Verhältnisse, im Erfühlen der inneren Dynamik erfassen. Wenn auch etwa nach Feststellung der Engagiertheit seiner Werke das Schreiben über Gefühle manchem auch fraglich erscheinen mag, so muß eben diese Ebene seines Schaffens betont werden. Die Intima gleitet die ganze Zeit momentweise über die Bilder, sie ist allgegenwärtig: in der Auswahl der Motivik, in der Wahl des Lichtes, im Einbringen der Farbe, in der Entscheidung über Motivik, in der Anlage der Zyklen und Serien und sogar auf dem ausgesuchten Gebiet, dem Portrait, der Figur, der Collage u.ä., ebenso im Gelände, im Atelier, drinnen, draußen, von wo überall die einzelnen Figuren ausgehen und unseren Wahrnehmungen und Empfindungen nachspüren auf Grundlage unserer Gefühle.

Gerade in der Vereinigung vielfältiger Welten erscheint die Verschiedenheit als einheitliche und einzigartige Bildgestaltung. Doch ist hier auch die Klippe, die wir „Lipuš’s Schwenk“ nennen können, wenn wir feststellen, dass diese adverbielle Vielfältigkeit tatsächlich eine Maske ist, die uns die „Puppenleute“ aufsetzen, während sie uns immer das eine und gleiche geben und verkaufen. Dazu ist Kunst da und deshalb verstehen wir auch die schöpferischen Prozesse Marko Lipuš’s als das Abnehmen dieser Masken, was um so klarer ist, da er tatsächlich mit ihr das fotografierte Gesicht abdeckt und die Figur in die Welt der Animation stellt, sie unter ihresgleichen versteckt, unter sich selbst ähnlichen. Darin steckt etwas Tribalistisches, als ob erst das versteckte, das zugedeckte Gesicht eines ist, das das richtige Bild abgibt, das dem Menschen erlaubt zu sein, sich zu zeigen, sich auszuprägen, zu fühlen und mitzuempfinden, zu existieren.

Wenn wir eine solche Fotografie erblicken, die oft entzweigehauen, zerschnitten ist und die in der vollen Nacktheit des eigenen Mediums das Fleischhafte ihrer Akteure, ihr blutiges Gespaltensein zeigt, das sie aber keineswegs von sich selber sich abwenden lässt. Ein andermal zeigt das Bild eine groteske, gezeichnete Gesichtsmimik, ähnlich in der Zeit festgefroren, als ob die Fotografie ohne irgendeinen Eingriff auskommt. Da fragen wir uns zuallererst, was wir betrachten, das Bild des Fotografierten oder die Fotografie des Bildes. Und wenn uns Zweifel befallen, vorbei an der Überlegung über die ästhetisierte Form und der Erwägung des symbolisierten Inhalts, sind wir auf gutem Weg, ganz besonders, wenn uns bewusst wird, dass wir diesen Weg rein zufällig und unabsichtlich, kurz augenblicklich und intuitiv eingeschlagen haben: in dieser Figur werden wir subtil Marko erblicken.

REAL VIRTUALITY
Tomaž Dobrila

If photos are not understood only as a document and documentation tool, but rather as a creative medium, we can look in the iconography of Marko Lipuš quite heterogeneous bits. However, this variety of particular series of his photographic oeuvre does not mean wandering through the expression and finding the right, corresponding and appropriate framework, which would in a direct approach replace the content, but the joy of browsing – joie de bricoler – through drawers of his own interests and transferring of the outside world into the space of intimacy. In this is a catch of his performance that extends from the personal, which is of course in the first place, and playful to a critical and social, as well as indignantly sharp to soft lyrical.
In any case, Lipuš’s photos that connects the individual elements into a coherent artistic confession, set a realistic reminiscence of our world, even if he’s often layering other visual elements into them, when he paints, collages, montages them. Some he even lets to share their stories alone through a game of light and shadows, which actors are either living people or processed, repainted pseudo-comic figures, and sometimes even dolls and models, toys that in their severity express truly haunting image through the amazing photographic print and creepy point out what the toys stores offer to our children. With this work acquires attribute of a conductor, which tension shakes us and not releases, and translator, which exposes our sloppiness to us, of course, if we also acknowledge it to ourselves.

By looking at the Marko’s pictures we consequently discern their message and fine artistry, their formal and compositional aspect and content and their materiality and metaphoricality. By looking into their world, we instantly ask ourselves about our reality in the world of virtuality, or perhaps we even become aware of our virtuality in one’s reality, helplessness of individual, who is first individually locked into something called social links, and then delusions of wider society that is as haunted hanging on threads and can not see or just refuses to see are shown , since with each new jitter marionette puppeteers are only further tightening it since the show must continue, whether it is called in any way and whether it bears any title.

Because, names, definitions, declarations that makers always come up with at the daily treadmill are precisely the cage in which we are locked when they are constantly changing subject and at the same time object of the discussion. We must be kept in virtual reality, as opposability, real virtuality would be too dangerous for the ruling and for anyone who would let it, could be fatal. But then, Marko Lipuš is walking on this terrain, he walks along the path of real virtuality within which he reveals delusions of the civilisation today. These delusions are not innocent processes of creating some kind of objects for common use or just toys for young, from which grows big, but the operating principles, which clearly uncovers constellation of social relationships, relations between puppeteers and puppets.
When we try to understand the narration of Lipuš’s photos, we need to look beyond their form and external dimension. The diversity of his terminology can be comprehended in understanding of their internal relationships, in the feeling of their dynamics. Even, perhaps after a speech on the engagement of these works is to write about feelings for someone even questionable, it is necessary to emphasize this aspect of his work. Intimacy is through moments all time crawling at the pictures, it is present everywhere: in the choice of motifs, the use of light, color entry, the decision of the themes , pledge for a cycle or series, and even in the selected scope – portrait, figure, collage etc. – and on the ground – in the studio, inside, outside – from which arise single images and draw after our perceptions to the basis of our feelings.
Right in the integration of diverse worlds, the diversity of procedures disclosed in uniform and unique creation of imagery. However, there is also a catch that can be called “Lipuš’s turn”, when we realize that the proverbial diversity is actually mask clamped to us by “puppeteers” while they’re making and selling always the same thing. Therefore is art and therefore we can understand creative processes of Marko Lipuš as detaching these masks, what is even more clear when he actually covers photographed face with it and sets a figure into the world of animation, he hides it among equals, among its similars. In this is something tribal, like only covered, obscured face is the one which gives the right image, which allows human to be, to show up, to express, to feel and sympathize, to exist.

When we catch an eye on such photo, which is sometimes chipped, sliced, to be able to demonstrate in the nakedness of its own media its players to their flesh, their bloody torn, that does not detract them from themselves, and secondly it occurs with grotesque, drawn facial mimics, in the same way frozen in time like a photograph without any intervention, we first ask ourselves what we see, an image of the photographed or a photograph of an image. And if we – past consideration of the aestheticisation of form and reflection of symbolisation of content – are flashed by such doubt, we are on the good track, especially when we realize that we have stepped onto it completely accidentally and unintentionally, in short, instantaneously and intuitively: in this character Marko will be subtly spotted.


TACTICS – KRATZUNGEN
Vasja Nagy

Im Internet ist eine Portraitreihe von Soldaten veröffentlicht, die in Afghanistan auf Seiten der USA gekämpft haben. Die Personen auf den Fotografien tragen keine Kriegsausrüstung und nur aus dem Wortlaut unter den Bildern erfahren wir, dass es sich um Soldaten handelt. Die Fotografierten waren vor einem neutralen, dunklen Hintergrund, der in einigen Fällen wegen des Streulichts wie ein aufwallendes Gewebe erscheint. Das Portrait des einzelnen Soldaten besteht aus drei Aufnahmen, die in Form eines Triptychons drei aufeinanderfolgende Zustände zeigen. Auf der linken Seite ist die Person vor der Mission, in der Mitte während und auf der rechten nach ihr. In den Untertiteln zum Triptychon sind die fotografierten Personen mit vollem Namen und Militärrang angeführt. Eingefügt sind auch kurze Statements zu ihrem persönlichen Empfinden, ihren Überlegungen usw. Das Gesamtbild zeigt die Soldaten als mitfühlende, auch leidende Einzelwesen, die eigentlich nicht wissen, warum ihnen all dies geschieht. Das Bild lenkt den Betrachter hin auf Mitgefühl. Die ökonomisch-politische Rolle der Soldaten bleibt hiebei vollkommen verborgen hinter diesem schwarzen Vorhang im Hintergrund der Portraits.

In den Medien finden wir häufig auch ein anderes Bild des Soldaten. Im Gegensatz zu den oberen Beispielen, die den Einzelnen als den konkret identifizierten „Nachbar aus der Gasse“ in den Vordergrund rücken, drängen sich im zweiten Beispiel Modelle, Muster, Musterbilder auf. Es geht wahrlich um Musterbilder im anthropologischen Sinn des 19. Jahrhunderts. Der Soldat und die Soldatin sind entpersonifizierte Angehörige ihres Stammes und erinnern an das Spektakel der imperialen Vorführung der Völker aus den Kolonien der europäischen Staaten. Sie werden in vollständiger und neuester jetztzeitlicher Kriegsausrüstung idealisiert, fotografiert meistens mit Waffen im Anschlag. Sie sind in Kampfbereitschaft. Selten sind Soldaten in stolzer, heroischer Haltung nach beendeter Schlacht anzutreffen. Die schönsten Musterbeispiele gehören immer dem streng geordneten Berufsheer an, die meist nicht auf heimatlichem Boden kämpfen, sondern gewerbsmäßig ihre Missionen fernab der Heimat erfüllen. Ihr Erfolg ist die getane Arbeit, während der heroische Sieg nur Volksstämmen zukommen kann, die für ihr eigenes Gehöft kämpfen. Die Fotografien dieser höchsten Musterbeispiele der menschlichen Rasse sind gewöhnlich auch technisch vollkommen. Was das Fotografieren nicht geleistet hat, erledigt das Postproduktionsverfahren. Die ästhetischen Regeln sind klar. Sogar einzelne Schrauben wirken häufig, als ob es um Mannequins in Kriegsausstattung ginge. In ästhetisch-formaler Hinsicht erinnern sie vielfach an die Kriegsfilme der zeitgenössischen Hollywoodproduktion. Oder wenn wir noch einen Schritt weitergehen, finden wir leicht Parallelen zu am Computer hergestellten Spielszenen. Die Unterschiede zwischen der Aufzeichnung aus der Wirklichkeit und der (hyper)realistischen Darstellung sind bereits vernachlässigbar. Öfters scheint es, dass sogar Aufzeichnungen aus der Wirklichkeit absichtlich dem Kunstvollen angenähert werden wegen der Verwischung der Grenzen, was die Dokumentierbarkeit in Hinsicht auf Techniken in Frage stellt.

Marko Lipuš beschäftigt sich schon Jahre lang mit dem Portrait. Am bekanntesten sind seine Portraits der Literaturschaffenden. Mit vollendeter Technik und Feingefühl gelingt es ihm immer, neben dem äußeren Bild des Portraitierten auch seinen Charakter in das fotografische Medium einzufangen. Das besondere Charakteristikum Lipuš’s Portraits aber, das schon auf den ersten Blick seine Hand erkennen lässt, ist der zusätzliche, auf seine Art sogar gewaltsame Eingriff in das Originalnegativ, bevor er dann in der Dunkelkammer die endgültige Fotografie herstellt. Der manuelle Eingriff, der Kratzungen und Schnitte des Negativs einschließt, ist für den konventionellen Beobachter der Fotografie wahrscheinlich ein unverständliches Vernichten der Originalaufnahme. Das ist jener Abzug, der trotz Linsenwerk und Transformation durch zweifach verdrehte Projektion nur der relativ unmittelbare Abdruck des Lichts ist, abgeschlagen von der Natur, von der Physis. Zu diesem stellt der Mensch unter dem Eindruck der scheinbaren Wahrheitsliebe und des dokumentarischen Effekts schnell eine Verbindung her. Schon eine zufällige Zerstörung oder ein Verlorengehen der Aufnahme kommt einem wie ein unersetzlicher Schaden vor. Eine absichtliche Vernichtung des Bildes kann aber aus den Tiefen sogar den altehrwürdigen Glauben hervorrufen, dass nämlich den Dingen ihr Geist innewohnt. Denken wir nur an jemanden, der die Fotografie der Person zerreißt, auf die er einen Zorn hegt, oder deren Bild er aus der Fotografie herausschneidet, auf der beide dargestellt sind. Lipuš’s Zugang geht darüber hinaus, ist das Vernichten der Matritze doch nicht seine Absicht, wohl aber die Umgestaltung des Bildes. Der aggressive Eingriff in das Negativ beschneidet nicht seine Mystik. Er setzt bloß dem Tabu der Unberührbarkeit ein Ende. Jesus’ an Magdalena gerichtete „noli me tangere“ lässt den ungläubigen Thomas auf die Zehenspitzen treten, um sich zu überzeugen, was hier wahrhaftig ist. Demystifiziert wird vor allem die dokumentarische Objektivität der Fotografie als Medium. Wahrhaftig wird das, was der Künstler unmittelbar mit der Projektion auf das fotografische Papier erschafft. Alle Handlungen vor dem waren ebenso wahrhaftig, doch sind von ihnen nur seichte Spuren übriggeblieben. Nicht einmal Rauch, nur der Geruch danach. Und erst, dass dieses Feuer zu spüren wäre! Kratzer und Lücken zwischen Teilen des Negativs irritieren des Betrachters Träumereien von der nicht vorhandenen Wirklichkeit fernab des kleinen Kameralochs. Jetzt wird er sich noch einer Stufe dazwischen bewusst, die gewöhnlich unsichtbar ist. Er betrachtet nämlich die Vergrößerung des verkratzten, zerschnittenen und wieder zusammengefügten Durchscheinbildes. Interessant ist es, dass durch die Vergrößerung nichts von der ersten Stufe verlorengeht. Anscheinend ist daran die Fähigkeit des menschlichen Hirns schuld, aus Teilen eine Ganzheit zu konstruieren. Dessen bewusst oder nicht, der Autor nützt diese Erscheinung meisterlich aus.

Die Portraits der Soldaten, pardon, der Kriegsfiguren sind letztendlich der logische Exkurs in Lipuš’s Schaffen. Vielleicht würde sich jemand aus psychoanalytischer Sicht der Frage annehmen, warum für den Autor der Sprung von lebenden Personen zu kleinen Puppen von Belang war. Die Kunsttheorie stellt lieber die Frage in den Vordergrund, was würde sich ändern, wären auf die gleiche Art anstatt der Puppen lebendige Menschen fotografiert worden. Wahrscheinlich nicht viel, die Figürchen haben sehr individualisierte Gesichter, die auch sehr realistisch geformt sind. Mit der sehr genau reproduzierten Kriegsausstattung sind dies gute Kopien der Realität nahe an Kriegsschauplätzen. Ihre Blicke direkt in die Kamera irritieren etwas, doch dem Betrachter wird schon in der zweiten Sekunde klar, um welche Art der Modelle es geht. Gleichwohl aber sind die Darstellungen nicht weit entfernt von den Bildern, mit denen die Kriegs- und Propagandaspektakel die Gesellschaft versorgen. Diesmal mit einem Schuß Ironie ganz auf Lipuš’s Art und Weise.

TACTICS – SCRATCHINGS
Vasja Nagy

A series of portraits, posted on the Internet, depicts USA soldiers that have returned home after having fought for the United States in Afghanistan. The persons in the photographs aren’t wearing any military gear and only the text below the images informs us we are looking at soldiers. They are stood in front of a dark neutral background, on which, in some of the photographs, diffuse light creates the impression of folds of fabric. The portrait of each individual soldier consists of three photographs that form a triptych of three consecutive states. The left, central and right panel show us the person as they were before, during and after the mission. The subtitles under the image state the full name and military rank of the person in the photograph, as well as brief quotes from their personal narratives, relating their own feelings, thoughts, etc. The triptych in its entirety shows the soldiers as sentient, even suffering individuals, who don’t really know why they are going through all this. The image invites the viewer to empathise, while the soldiers’ economic and political role remains completely hidden by that black drapery in the background.
Media, however, often peddle a very different image of a typical soldier, one that, unlike the above-mentioned example of foregrounding the individual as a specifically identified »next door neighbour«, is based mainly on models, samples, specimens. They truly are specimens as defined by 19th-century anthropology. The male soldier and his female counterpart are depersonalised tribe members, recalling the spectacles of imperial representation of the nations colonised by the Europeans. They present an idealised picture, equipped with the most up-to-date combat gear, weapons at the ready, poised for battle. Soldiers are only rarely to be seen in this proud, heroic posture after the battle. Such prime specimens always belong to a strictly regulated professional army which, as a rule, doesn’t fight on its home ground, but performs its duty, in a craftsman-like manner, on foreign missions. Their victory is merely a job well done, whereas the moral victory belongs to tribes fighting for their native soil. Usually, photographs of these prime human specimens also display great technical mastery. Everything that hasn’t been taken care of during the shoot is retouched during the postproduction. The aesthetic rules are clear. The soldiers themselves often look like models in military gear. From the aesthetic and formal aspect they recall the latest Hollywood war movies or CGI-ed scenes from computer games. The distinction between photographs of the real world and (hyper)realistic imagery is becoming negligible. Sometimes it seems that the boundaries between images of the real and artificial world are being deliberately blurred, which casts doubt over the documentary veracity of all rendering techniques.
Marko Lipuš has been working on portrait photography for many years and is best known for his portraits of men and women of letters. His refined technique and subtlety invariably capture not only the subject’s outward appearance, but also their personality. Another instantly recognizable characteristic of his portraiture is an additional, to some extent even aggressive modification of the original negative before proceeding to develop the photographs in a darkroom. This manual modification, which includes scratching and cutting up the negative, may be seen by a conventional viewer as an irrational destruction of the photographic original, i.e. the photograph that has been, in spite of the interposing lenses and the transformation effected by twice-inverted projection, nevertheless more or less directly imprinted by light reflected by nature – physis. Because of the photograph’s seeming veracity and documentary qualities, it is easy to grow attached to it, so that even a chance destruction or loss of a photograph may seem like an irreparable damage. Intentional destruction of images may also recall the deep-rooted ancient belief that the image of an object conceals its spirit. Let us only think of a person who has torn up the photograph representing the person they are angry with or cut out their image from a photograph showing the two of them together. Lipuš’s approach transcends such acts; his intention is not to destroy the matrix, but to transform the image. In spite of this aggressive modification, the mystique inherent in the negative remains intact. Only the taboo of its intangibility is shattered. As Jesus’ “Noli me tangere” to Mary Magdalene is substituted by Doubting Thomas’s fingertips, it becomes possible to ascertain just what is real and what not, which serves principally to demystify the documentary objectivity of photography as a medium. Whatever the artist creates by direct projection onto the photographic paper becomes reality. All prior acts, though all equally real, have left behind only the faintest of traces – a smell of smoke lingering in the air after the smoke itself, let alone the proverbial fire, is long gone. The scratches and gaps between the fragments of the negative jar the viewer’s daydreams about the (now absent) reality in front of the camera’s aperture. The viewer becomes aware of an ordinarily invisible intermediary stage, aware of looking at a blow-up of a transparency that has been scratched, cut up and put together again. Remarkably, the blow-up loses nothing from the first stage. This may be due to the human brain’s ability to reconstruct the whole from its constituent parts. The author, whether intentionally or not, masterfully exploits this phenomenon.
After all, the portraits of soldiers, begging pardon, of soldier figurines seem like a logical extension of Lipuš’s creative work. Perhaps someone may tackle, from a psychoanalytical point of view, the question of why the author was drawn to switching from real people to tiny figurines. Art theory, however, is more inclined to question what would change if, instead of figurines, real people had been photographed using the same technique. Probably not much, given that the figurines have very individualised and lifelike faces. With their accurately reproduced military gear they serve as a faithful copy of actual battlefield conditions. Their way of staring fixedly at the camera may at first seem somewhat irritating, but in the very next second it becomes clear just what kind of models we are dealing with. Nevertheless, these portraits aren’t far removed from the images propagated by military propagandist spectacles. However, this time Lipuš adds a pinch of irony that is wholly his own.